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Bordeaux in Italien

San Guido

(Bolgheri)

San Guido

Das Gut San Guido steht für Bolgheri-Wein wie kein anderes: Es erfand ihn. Die Geschichte des Sassicaia ist tausendfach erzählt und Teil des Mythos dieses Weins. Marchese Mario Incisa della Rocchetta war ein leidenschaftlicher Liebhaber von Bordeaux-Weinen. Im zweiten Weltkrieg waren diese jedoch in Italien praktisch nicht zu bekommen und da der Marchese nicht wissen konnte, wie lange der Krieg noch dauern würde, pflanzte er die Bordelaiser Sorten auf seinem eigenen Besitz. Die Weinstöcke erhielt sie von einem befreundeten Gut bei Pisa, nicht von Chateau Lafite aus dem Bordeaux, womit die Legende oft ausgeschmückt wird.

Der älteste Sassicaia-Weinberg, direkt hinter Castiglioncello

Direkt hinter der alten Burg Castiglioncello pflanzte er 1942 die ersten Reben und erntete dafür viel Verwunderung und Kopfschütteln, galten diese Rebsorten doch als völlig ungeeignet für die Toskana. Der Wein überzeugte anfangs nicht, und alle, die das Experiment für eine Verrücktheit hielten, fühlten sich bestätigt. Der Marchese ließ jedoch von jedem Jahrgang etliche Kisten im Keller von Castiglioncello liegen und stellte nach einigen Jahren fest, dass der Wein mit der Zeit zulegte.

Castiglioncello am höchsten Punkt der DOC Bolgheri Sassicaia

1965 kamen zwei weitere Weinberge hinzu, die beiden Hänge "Sassicaia" und "Aianova" vor der Burg und ein gutes Stück weiter unterhalb. Sie wurden ebenfalls mit Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc bepflanzt und der gesamte Wein von allen Weinbergen auf den Namen "Sassicaia" getauft. Von 1948 bis 1967 wurde der Wein nicht verkauft, sondern nur in der Familie getrunken und an Freunde weitergegeben. Als ihn Piero Antinori probierte, bestärkte er den Marchese, seinen Wein kommerziell zu vermarkten. Der erste Jahrgang, der in den Handel kam, war der 1968er mit gerade mal 4000 Flaschen. Neben dem Marchese war nun ein Spezialist für die Weinbereitung verantwortlich: Giacomo Tachis, der legendäre Önologe von Antinori, der dann für diesen wenig später den Tignanello kreierte.

Ein Sassicaia-Weinberg unterhalb Castiglioncello

Der Sassicaia war der erste "Supertoskaner": ein Spitzenwein von internationalem Format, der dennoch nur das einfache Label Vino da Tavola (vdt) führen durfte, da er sich nicht nach den Vorschriften eines gesetzlichen Anbaugebietes (DOC) richtete. Dieses sah die Bordelaiser Rebsorten in der Region nicht vor. Erst im Jahr 1994 wurde die DOC Bolgheri geschaffen. Der Sassicaia erhielt dabei eine einzigartige Sonderstellung: als einziger Wein Italiens bekam er sein eigenes DOC-Gebiet zugesprochen: DOC Bolgheri Sassicaia. Der Boden des Sassicaia, was im toskanischen Dialekt "steiniger Boden" heißt, ist in der Region ziemlich einzigartig. Er stammt von den felsigen Hügeln und ist daher nicht so sandig, wie ein Stückchen weiter im Tal, wo früher das Meer war. Nur Ca' Marcanda, das neugeschaffene Bolgheri-Weingut von Gaja, besitzt einen Hektar vergleichbaren Bodens.

Fast reife Trauben in einer Sassicaia-Lage

Das Gut San Guido ist riesig. Über 3000 Hektar erstreckt sich der Besitz. Das meiste davon ist Wald. Auf dem Gelände befinden sich auch viele Olivenbäume, ein berühmtes Pferdegestüt und am Strand das erste WWF Vogelschutzgebiet Italiens. Rund um Castiglioncello laufen die Wildschweine durch den Urwald. Etwa ein Prozent des Besitzes ist heute mit Wein bepflanzt. Der Weinkeller von San Guido ist unspektakulär, was zählt ist der Wein, man braucht keinen Prunk drum herum. Momentan wird allerdings eine repräsentivere neue Barricaia errichtet, in der man mehr Platz haben wird. Etwa hundert Jahre früher standen dort Gewächshäuser für Tulpen - Wein war damals in Bolgheri noch kein Thema.

In diesem unscheinbaren Schuppen wird der Sassicaia ausgebaut

Derzeit wird der Sassicaia noch in einem recht unscheinbaren Gebäude ausgebaut, in dem der Platz für die Barriques sehr knapp ist. Mit Holzeinsatz geht man bei San Guido äußerst vorsichtig um. Eichenholzschwangere und zu alkoholstarke Weine werden in jedem Fall vermieden. Zum Einsatz kommen Barriques aus Frankreich und Amerika, wobei die aus Frankreich bei weitem überwiegen. Für den Sassicaia werden dabei etwa ein Drittel neue Fässer verwendet, die anderen waren bereits ein bis zwei Jahre im Einsatz.

Sassicaia Fasskeller

Im Gegensatz zum veränderten Stil vieler toskanischer Weingüter, deren Weine seit etwa der Mitte der Neunziger-Jahre meist so ausgebaut werden, dass sie früher trinkreif sind, ist der Sassicaia zum Glück nach wie vor ein Wein, der erst alt werden muss. Seine Säure und sein knackiges Tannin wurden ihm nicht ausgetrieben, wie andernorts. Man braucht mit ihm Geduld, in der Jugend ist er kantig und oft ein wenig verdruckst, seine Persönlichkeit entwickelt sich so richtig erst nach ein bis drei Jahrzehnten - aber dann hat er wenigstens eine und ist nicht so ein aalglatter, geschmeidiger und austauschbarer Typ, wie man sie überall findet!

Hier wird der Sassicaia fermentiert

Mit dem Jahrgang 2000 bot San Guido erstmals einen zweiten Wein an, den Guidalberto, der in einer zweiten Kellerei von San Guido ausgebaut wird. Die bei Bolgheri liegenden Weinhänge, von denen der Guidalberto zum Großteil stammt, pachtete San Guido für 99 Jahre. Während für den Sassicaia stets nur Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc verwendet wurden, ist für den Guidalberto die dritte wichtige Bordeux-Rebe Merlot ein wesentlicher Bestandteil. Auch Sangiovese, die typische Rebsorte der Toskana, kommt darin zum Einsatz. Die Cuvée besteht zu circa 45% aus Merlot, 45% aus Cabernet Sauvignon und 10% aus Sangiovese. Der Wein ist nicht so mächtig und aristokratisch wie der Sassicaia, aber durchaus komplex und sehr fein. Schon in der Jugend zugänglich, zeigt er sich etwas weicher, ist dabei aber vollmundig und verträgt wohl gut fünf bis zehn Jahre Reifezeit, die man ihm gönnen sollte, bevor er auf dem Höhepunkt ist. Für den Preis einer Flasche Sassicaia bekommt man etwa drei bis vier Flaschen Guidalberto. Der Name des Weins bezieht sich auf einen Vorfahren der Familie. Guidalberto della Gherardesca, lebte zu Beginn des 19. Jahrhunderts und pflanzte unter anderem die berühmte fünf Kilometer lange Zypressen-Allee, die von San Guido bis nach Bolgheri führt. Das Gebäude, welches auf dem Etikett zu sehen ist, befindet sich direkt gegenüber San Guido auf der anderen Straßenseite der Via Aurelia.

Auf dem Etikett des Guidalberto

Seit wenigen Jahrgängen erzeugt San Guido einen dritten Wein, den Le Difese aus ca. 75% Sangiovese und 25% Cabernet Sauvignon. Er bleibt 14 Monate in amerikanischen und französischen Barriques, von denen die meisten bereits vorher verwendet wurden. Er ist der Einstiegswein des Gutes, der sich schon jung schön trinken lässt. Das Gut produziert etwa 150.000 Flaschen davon pro Jahr. In Bolgheri kostete die Flasche um die 17 Euro. Im Restaurant trank ich den in den Läden schon vergriffenen 2004er, der sehr delikat war, eine feine rote Frucht hatte und dem auch probierten 2005er an Finesse um einiges voraus ist.

Degustation bei San Guido

Flaschenproben:

rot

Guidalberto 2005
ca. 45% Merlot, 45 Cabernet Sauvignon, 10% Sangiovese, 14 Monate in Barriques, davon 15% neu, 20% aus Amerika.
Saftiges Rot. Primäraromen von roten Früchten und etwas Traubenzucker, Schokolade. Im Mund vor allem rote und schwarze Johannisbeere sowie etwas Kirschfleisch, Lakritze. Feine Säure, feinkörniges Tannin. Sehr jung.
ca. 150.000 Flaschen.

Sassicaia 2004
85% Cabernet Sauvignon, 15% Cabernet Franc, 24 Monate im Barrique, hauptsächlich aus Allier, ca. 25-30% neu.
Dunkleres Rot. Sehr verschlossen. In der Nase würzig mit typischen Paprika- und Pfeffernoten wie in feinem Bordeaux. Im Mund dunkel, feine Schärfe, Lakritz und dunkle Frucht. Sehr langer Abgang mit dunkler Kirsche.
Die verkostete Flasche hatte einen leichten Fehlton, den man an einer leicht scharfen Note im Abgang merkte. Der Kork war wahrscheinlich nicht ganz dicht, so dass die Flasche eine ganz leichte Oxydationsnote entwickelte. Ein seltener Fehler. Leider konnte ich keine zweite Flasche zum Vergleich verkosten.
Ein Wein, dem man kaum anmerkt, dass er noch eine geschlossene Faust macht. Gut möglich, dass er zwanzig Jahre braucht, bevor er sie öffnet und wirklich zeigt, was in ihm steckt.
ca. 200.000 Flaschen.

Die Zypressenallee bei San Guido

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