Thomas Glatz: Nudderheim. Ein Miniroman aus dem Neo-Biedermeier. Leseprobe
Das erste Kapitel:
1.
Schaffen wir uns eine Papiergestalt, eine künstliche
Figur, mit der man sich dennoch identifizieren kann.
Schaffen wir uns eine Romanfigur, einen Herrn P.
Geben wir ihm ein lilienweißes Hemd! Geben wir ihm
eine Hose dazu! Ein betontes Kinn soll seinem Kopf etwas
Draufgängerisches verleihen! Sein schwarzes Haupthaar
sei am Scheitel gelichtet! Ein seltsamer Dingerich,
Dünkel und Portz in einem soll diese Figur sein.
Und jetzt wischen wir ihn groß. So wie ein smartphonegeübtes
Kind im Zoo bei den Fischen mit den
Fingern an der Scheibe wischt, um die Ansicht der Tiere
zu vergrößern. Oma Weinzierl hat mir davon erzählt.
Sie hätte das mit eigenen Augen gesehen. Jonas Langreuther,
dem ich davon berichtete, meinte, das hätte
Oma Weinzierl nicht selbst gesehen. Das sei ein urbaner
Mythos. Sei's drum! Wischen wir uns Herrn P. groß! Jeder
Mensch trägt ein Getümmel von Gedanken in sich,
ein Gewürm aus Denkbewegungen und Gehirntätigkeit,
so auch unsere Papiergestalt. Geben wir ihr also Gedanken
in den Kopfund lassen wir sie träumen. Machen wir
sie zum Ich-Erzähler!