Wenn wir voraussetzen,
dass zwei grössere europäische Staaten im Besitze von Luftflotten sind
und Krieg miteinander führen wollen, so werden beide Staaten zunächst
ein Interesse daran haben, möglichst viele Lenkbare mit Gleitfliegern über
die Grenzen zu senden - einzeln. Und jeder Lenkbare wird
sein Dynamit auf die grösseren Städte werfen und dort beispiellose Verheerungen
anrichten. Man wird die Kasernen, Parlamentsgebäude und Paläste in erster
Linie angreifen. Lassen sich Truppen irgendwo sehen, so werden sie gleich von
einem Torpedohagel begrüsst werden.
Und da möchte ich wissen, wie es zu einer Landschlacht kommen soll. Die Landtruppen
sind eben gänzlich überflüssig.
Natürlich - derartige Bombardements von oben werden
einen Massenwahnsinn hervorbringen. Ich möchte wissen, wer dabei ruhig bleiben
könnte. Die Totengräber werden sich weigern, verstümmelte menschliche
Gliedmassen zu sammeln. Und die Chirurgen werden auch von dem allgemeinen Wahnsinn
gepackt werden und davonlaufen - so rasch sie können.
Es ist überflüssig, das Entsetzliche solcher Stadtbombardements auszumalen
- das kann Jeder selber besorgen. Das Scheussliche eines
derartigen Krieges ist so einleuchtend, dass man gut täte, vorläufig
nicht weiter darüber nachzudenken. Schon das Nachdenken über derartige
Kriegskünste kann eine heftige Nervenerkrankung zur Folge haben.
Eine Landschlacht aber ist ganz unmöglich - das Dynamit
von oben arbeitet so schnell, dass das Landheer garnicht zur Entwicklung gelangt.
Die Ballonabwehrkanonen werden den Ballons nicht vielen Schaden bereiten. Ausserdem
können sie nicht überall sein. Und es kommt auch nicht darauf an, wenn
einige Luftschiffe bei dieser Kampfesart zu Grunde gehen. Wie schwer es ist, einen
Ballon zu treffen, hat man ja jetzt überall eingesehen. Dazu kommt, dass
die Ballons in der Nacht schlechterdings oben unsichtbar bleiben. Die Grenzen
durch Drahtwände zu schützen, geht ebenfalls nicht. Und so viele Scheinwerfer,
um in der Nacht den ganzen Himmel zu erhellen, kann man auch nicht funktionieren
lassen.
Nun wird man natürlich auf die Beschlüsse der Haager Konferenz hinweisen.
Die Konferenz will den Völkern verbieten, Sprengstoffe vom Luftballon aus
in Kriegszeiten herunterzuwerfen.
Die Völker werden sich um diese Beschlüsse nicht viel kümmern -
dazu verwenden die Staaten nicht unzählige Millionen für die Luftschiffahrt,
um schliesslich die neuen Kriegsinstrumente in Kriegszeiten bescheiden in die
Ecke zu stellen. Das Lächerliche dieser Handlungsweise wäre denn doch
zu auffällig.
Allerdings - um die Landheere, Festungen und Seeflotten
zu retten, kommen die Militaristen auf ganz abenteuerliche Ideen. So sagte der
schon oben erwähnte englische Oberst S. A. Cody, der sonst ganz Vortreffliches
über den Luftmilitarismus vorbringt, auch das Folgende:
"Es besteht die Möglichkeit eines Vertrages zwischen den grösseren
Mächten, durch den sie sich verpflichten, von Maschinen zur Fortbewegung
im Luftmeer in Kriegszeiten keinen Gebrauch zu machen. Es ist wohl denkbar, dass
man zu diesem Schluss kommt, denn man kann sich nichts Füchterlicheres vorstellen,
als das Bild einer Kriegführung, bei der die Kampfeswerkzeuge der Luft ihre
tötliche Rolle spielen. Wenn keine Stellung mehr verschleiert, keine Angriffslinie
ein Geheimnis, keine Festung mehr vor den spähenden Augen des Feindes sicher
ist, müssen die Folgen für beide Parteien unbeschreiblich sein."
Da haben wirs: erst sollen die Luftschiffe für den Luftmilitarismus hergestellt
werden, und nachher soll man sich ihrer nur im Frieden
bedienen - bei Paraden und Manövern.
Die Völker, die den Luftmilitarismus auch bezahlen
sollen, werden ein schönes Gesicht schneiden, wenn ihnen von diesem Parade-
und Manöver-Militarismus berichtet wird.
Ausserdem macht man die Rechnung ohne die rabiateren, aussereuropäischen
Staaten - bei den Japanern z. B. wird man den Dynamitkrieg
keineswegs für undurchführbar halten. Dem Japaner ist das Dynamit ans
Herz gewachsen....
Ich glaube, dass jeder Freund der Logik nach dem Gesagten mit mir der Meinung
sein wird, dass eine Landschlacht, wenn erst Luftflotten da sind, einfach ein
Unding ist.
[ II ]
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