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Vorwort


Die hier wiederveröffentlichte Flugschrift Paul Scheerbarts aus dem Jahre 1909 gehört wohl nicht mehr zu den bekanntesten Werken des umtriebigen Autors, verbindet man seine Schriften doch eher mit teils sphärischen, teils grotesken phantastischen Erzählungen - einer Science Fiction des Jugendstils.
Mit dem Titel Flugschrift steuert Scheerbart die Rezeptionserwartungen deutlich weg von der Phantastik hin zur Zeitpolitik. Er äußert sich zur Rüstungsdebatte seiner Zeit - und die Provokanz seiner Äußerungen, inmitten des Wilhelminischen Deutschlands, sollte heute nicht zu gering veranschlagt werden. Es wird damals keine Kleinigkeit gewesen sein, in explizit nicht belletristischem Zusammenhang zu äußern, es wäre doch sinnvoll, Kriegsschiffe bald in Vergnügungsdampfer und Festungen in Hotels, ihrer besonderen Architektur wegen erhaltenswert, umzuwandeln. Fast fühlt man sich hier an die Romane und Münchhausiaden Scheerbarts erinnert - gleichzeitig wird allerdings deutlich, daß hier nicht die Schrift, sondern das Militär, mit seiner Dramaturgie aus Kavallerie und Trutzburgen, eine Fiktion aufrechterhält. Scheerbart sieht, wie sich eine Entwicklung anbahnt, deren Höhepunkt eigentlich erst rund fünfzig Jahre später im Kalten Krieg erreicht wird. Doch bereits 1909 wurden die Ausmaße und Konsequenzen einer technisierten und für damalige Begriffe modernen Kriegsmaschinerie sichtbar. Auf dieser Grundlage eines nicht zu gewinnenden Krieges, der ohne Soldaten geführt würde, führt er den Krieg als solchen ad absurdum.
Scheerbart schreibt nicht nur gegen den Militarismus Kaiserdeutschlands an, er macht sich auch, freilich hinter ironischen Spitzen versteckt, über ihn lustig. Wenn er gegen die Nihilisten und Anarchisten schreibt, so scheint dies aus Berechnung zu geschehen, um nicht automatisch leicht als ebensolcher erklärt zu werden. Die Argumente, die gegen Anarchisten und Nihilisten gerichtet werden, lassen dabei keinen Zweifel offen, daß sie vielmehr auf den Militärrausch und auf die Kriegsbegeisterung zutreffen.
Betrachtet man diese Flugschrift im Kontext des ersten Weltkriegs, erhält sie einerseits eine sehr ironische Komponente, aber andererseits läßt sich auch die Hilflosigkeit gegenüber der konservativen, kriegsbegeisterten Medienwelt der damaligen Zeit erahnen. Daß die Medien nicht erst seit Golf- und Balkankrieg die technischen Entwicklungen des Militärs zelebrieren, macht diese Flugschrift wieder deutlich - die dagegen anschreibt, indem sie radikal für die neue Kriegstechnik zu sprechen scheint, allerdings bloß, um zu betonen, daß Schrecken und Angst mit ihr nur wachsen werden. Auch wenn Scheerbart es versteckt und so tut, als schreibe er nur für die Effektivität des Militärs und gegen die Steuerverschwendung, schreibt er im wesentlichen als Pazifist gegen Aufrüstung und die - aus seiner Flugschrift sehr deutlich herauszulesende - allgemeine Militärbegeisterung seiner Zeit: denn Kavallerie, Artillerie, Marine erscheinen bei ihm als veraltetes teures Kriegsspiel, und die neuen, schnell aufkeimenden Techniken vermögen nur noch unvorstellbareres Leid zu schaffen - Wirklichkeit geworden fünf Jahre später, als man kriegseuphorisch Fronten zog. Die Flugschrift vermochte dagegen freilich nichts auszurichten, und so sind auch die Lebensmittel nicht billiger, sondern knapper geworden.

Nikolai Vogel & Kilian Fitzpatrick
München, den 08.06.1999




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